Zerlegebetriebe

«Wenn wir das nicht machen, dann brennt’s!»

Warum Zerlegebetriebe sowohl im ersten als auch im zweiten Arbeitsmarkt in den Recyclingsystemen unentbehrlich sind und welchen Herausforderungen sie im Alltag begegnen, besonders im Umgang mit Lithiumbatterien.

Zerlegebetriebe (ZB) spielen eine entscheidende Rolle bei der umweltgerechten Entsorgung von Elektro- und Elektronikaltgeräten (EAG). Nach deren Sammlung werden alte oder defekte EAG in den ZB entgegengenommen, um sowohl Wert- als auch Schadstoffe manuell abzutrennen. So werden EAG von Kondensatoren, Leuchtmitteln, Öl und Batterien schadstoffentfrachtet, um die darauffolgende Verarbeitung in Recyclinganlagen auf umweltgerechte Art zu ermöglichen. Besonders wertvolle Teile wie gewisse Leiterplatten, Metalle oder Kunststoffe werden entfernt, um sie danach direkt dem Recycling zuzuführen. Die ZB spielen also eine sehr wichtige Rolle im Recyclingsystem und stehen gleichzeitig grossen Herausforderungen gegenüber. Die Suche nach Mitarbeitenden, deren Ausbildung und besonders deren Sicherheit stehen im Mittelpunkt. Wir haben deshalb zwei unterschiedlich arbeitende Zerlegebetriebe, die ELREC AG und die gadPLUS AG, besucht und nachgefragt, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen.

ELREC, ein ZB aus dem ersten Arbeitsmarkt

Das Areal der Firma ELREC AG im Churer Rheintal ist gross und umgeben von den Bündner Bergen. Hier kommen EAG von Privatpersonen sowohl aus der eigenen Sammelstelle als auch von Gemeindesammelstellen zusammen. Auch Gewerbefirmen geben ihre EAG der ELREC AG ab. In Paletten und Rahmen werden die alten und/oder defekten Geräte mit dem Gabelstapler von der Sammelstelle über den grossen Platz zum ZB gebracht. Hier hat David Moreno vor etwa 2 Jahren den ZB neu aufgebaut und strukturiert. In einer Halle zerlegt er zusammen mit einem weiteren Festangestellten und vier Temporärangestellten SENS- und Swico-Material. In der Mitte der Halle werden die EAG aus den Paletten auf einem grossen Tisch ausgelegt, sortiert und anschliessend zerlegt. 

Der Betrieb arbeitet mit Temporärangestellten. «Wir können mit dieser Struktur die grösste Leistung mit wenig Betreuungsaufwand bringen», sagt David Moreno. Die Mitarbeitenden werden ihm durch eine externe Firma vermittelt. «Teilweise sind die Angestellten sehr gut ausgebildet», fügt er hinzu. Es handelt sich um Personen aus dem ersten Arbeitsmarkt, wie Studierende oder Saisonarbeiter:innen, die eine befristete Tätigkeit suchen, oder um Personen, die arbeitslos waren und auf Stellensuche sind. Die Personen können rasch eingearbeitet werden und der Betreuungsaufwand ist relativ klein. Am Anfang führt sie David Moreno eins zu eins ein, danach arbeiten sie meist selbstständig. Alle Mitarbeitenden sind im Vollzeitpensum angestellt, sodass schnell alle Prozesse bekannt sind und grössere Mengen pro Tag verarbeitet werden können. 

Die Mitarbeitenden bleiben meist zwischen 6 Monaten und 1,5 Jahren. «Danach verlieren sie oft etwas die Motivation», sagt David Moreno, denn die Arbeit sei monoton und auf längere Sicht werde es den Angestellten etwas langweilig. Aber durch die Zusammenarbeit mit der Temporärfirma können flexibel wieder neue Personen angestellt werden. Zudem bietet der eigene ZB den Vorteil, dass Material nicht zwischen Sammelstelle und ZB hin und her transportiert werden muss, sondern direkt nach Annahme auf dem Platz zerlegt werden kann. 

David Moreno sieht die grössten Herausforderungen seiner Arbeit im Umgang mit Geräten, die Lithiumbatterien (LiB) enthalten. Diese sind heutzutage weit verbreitet. Gleichzeitig werden die Geräte immer kleiner und komplexer, was die Zerlegung erschwert. Die LiB können bei unsachgemässer Handhabung oder Beschädigung Feuer fangen oder explodieren, was ein erhebliches Risiko für die Mitarbeitenden darstellt. «Wenn die Batterien im Gerät verklebt oder verschweisst sind, ist die Gefahr gross, dass wir sie beim Entfernen beschädigen.» Manche EAG seien auch einfach zu klein oder zu komplex, als dass die Batterien mit vertretbarem Aufwand vor Ort entfernt werden könnten. Demnach werden bei der ELREC AG nur Batterien entfernt, die einfache Arbeitsschritte erfordern (siehe Foto 2). Alle anderen Geräte mit LiB werden an ZB weitergeleitet, wo speziell geschultes Personal und entsprechende Ausrüstung vorhanden sind. 

Im zweiten Arbeitsmarkt kann man in die Details gehen

Die gadPLUS AG in Biel ist ein spezialisierter ZB, der auch aufwendige EAG zerlegt. Die unternehmerisch geführte Sozialfirma wurde vor 11 Jahren gegründet und beschäftigt Menschen aus dem zweiten Arbeitsmarkt, darunter Langzeitarbeitslose und anerkannte Geflüchtete. Die Anzahl der Mitarbeitenden variiert je nach Arbeitsmarktlage. Bis zu 40 % der etwa 60 Teilzeitmitarbeitenden finden mit Unterstützung des Betreuungsteams wieder einen Job im ersten Arbeitsmarkt. Damit hat die gadPLUS AG die höchste Reintegrationsquote in der Schweiz.

Die Zerlegung von EAG ist eine der verschiedenen niederschwelligen Arbeiten im Angebot von gadPLUS. Diese Arbeit ermöglicht eine Tagesstruktur mit einer sinnvollen Beschäftigung und einer guten Atmosphäre im Team. EAG sind besonders beliebt, weil sie aus dem Alltag bekannt sind. Für das Betreuungsteam hat die Zerlegung von EAG mehrere Vorteile: Es sind immer genug Mengen vorhanden, um das Team auszulasten, der Aufwand beim Anlehren ist überschaubar und es wird sowohl Grob- als auch Feinmotorik benötigt. Auch die Routine und die repetitiven Tätigkeiten werden hier geschätzt. 

«Die Zerlegetätigkeit bringt viel Wertschätzung», sagt Geschäftsleiter Iso Etoski, «man muss nicht zu viel nachdenken, kann aber gleichzeitig auch Verantwortung übernehmen. Zudem ist allen bewusst, wie wichtig ihre Arbeit für die gesamte Branche ist.» Gemäss Thaddäus Steinmann, Leiter Elektroschrott des Recyclers Altola AG, dem gadPLUS angehängt ist, zahlt sich das aus: «Im Vergleich zu anderen Teilnehmermodellen bleiben manche Mitarbeitenden recht lange, was sich positiv auf die Qualität der Arbeit auswirkt.» Tatsächlich sind die verschiedenen Zerlegeschritte sehr relevant für das Recycling. Insbesondere werden hier quecksilberhaltige Hintergrundbeleuchtung aus Bildschirmen, schadstoffhaltige Kondensatoren und Batterien aus diversen Kleingeräten entfernt.

Auch bei gadPLUS werden Batterien als eine der grössten Herausforderungen angesehen. Für die Erkennung der Geräte, die LiB enthalten, sowie die Entfernung der LiB aus kleinen EAG wie Zahnbürsten, Rasierern etc. sind eine genaue Schulung und viel Sensibilisierungsarbeit nötig. Das ist nicht einfach, wenn viele Mitarbeitende keine Landessprache verstehen oder lesen können. 

«Wir haben Mitarbeitende, die noch nie einen Akkubohrer gesehen haben», erklärt Rolf Kunz, der EAG-Verantwortliche von gadPLUS. Gleichzeitig ist jedes Gerät sehr arbeitsintensiv und benötigt spezielles Werkzeug. Deshalb arbeitet Rolf Kunz in der Schulung sehr viel mit Bildern und mit konkreten Beispielen, z. B. aus dem Schulungskoffer (siehe Foto 3). Für das Betreuungsteam ist klar: Das Schlimmste wäre ein Brand. Deshalb beinhaltet die Schulung auch alle Schritte, die mit LiB je nach Vorfall zu tätigen sind. «Besonders der Rauch ist bei einem Brand hochgefährlich», ergänzt Thaddäus Steinmann. Es muss für den Umgang mit brennenden LiB eine besondere Ausrüstung am richtigen Ort zur Verfügung stehen: zum Beispiel feuerfeste Handschuhe (Foto 4). Quarantänebehälter oder geeignete Fässer mit Vermicullit zur Lagerung. Knopfzellen (oft Lithiumbatterien) werden auf Klebeband geklebt, um die Pole zu schützen. «Wenn wir das alles nicht machen, dann brennt’s! Auf dem ersten Arbeitsmarkt wäre das aber schlicht nicht möglich», fasst Thaddäus Steinmann zusammen.

Zusammen über die Risiken kommunizieren

Sowohl bei ELREC als auch bei gadPLUS sind sich alle einig: Zum Glück ist bis anhin noch nichts passiert. Aber die Gefahr lauert überall. Schutzmassnahmen reduzieren die Wahrscheinlichkeit eines Brandes, aber ein Restrisiko ist immer da. Für die Zukunft ist zudem klar, dass LiB-haltige EAG noch viel häufiger und in unerwarteten Gegenständen zu finden sein werden: Taucherbrillen, Kinderbücher etc. Die Betreuungsteams und die Mitarbeitenden müssen bei ihrer Arbeit stets wachsam und vorsichtig sein. Rolf Kunz beschreibt die Situation so: «Ich gehe sicherheitsmässig auf Nadeln. Das belastet mich persönlich. Selbst am Abend denke ich noch dran. Nicht alle Mitarbeitenden nehmen LiB gleich ernst. Jene, die mal bei einem Brand dabei waren, denen ist es eingefahren. Andere sehen es etwas lockerer oder sind weniger motiviert. Man weiss also nie, wie, wo und was passieren kann.» Die Betreuungsteams der ZB wünschen sich also eine einheitliche Sensibilisierung auf allen Ebenen. Bei der Sammlung in Privathaushaltung oder an der Sammelstelle fängt es an: Hier ist die Rolle der Rücknahmesysteme von SENS und Swico sehr wichtig.

Lithiumbatterien, ein brennendes Thema

In den letzten Jahren haben sich die Systeme, die Recycler und die Zerlegebetriebe gemeinsam für die Sensibilisierung für die Brandgefahr eingesetzt, die von Lithiumbatterien ausgeht. Die Massnahmen, die zur Bewältigung dieses Risikos ergriffen wurden, werden jeweils während der SENS-/Swico-Audits besprochen. Die Auditorinnen stellen fest, dass die Zerlegebetriebe dieses Thema ernst nehmen. Zu den Massnahmen, die speziell für Batterien eingeführt wurden, gehören: die Ausbildung von Mitarbeitenden in der Zerlegung von Geräten mit Lithiumbatterien an speziellen Arbeitsplätzen; kleine Fässer mit Wasser, Vermiculit oder Sand neben den Zerlegearbeitsplätzen, um beschädigte oder «gefährliche» Lithiumbatterien unter Quarantäne zu stellen; die Verwendung von Vermiculit in den dafür vorgesehenen Stahlfässern, in kleinen Boxen zur Zwischenlagerung und für den Transport von Lithiumbatterien.

Foto 1: Zerlegehalle der ELREC AG in Trimmis (Foto: ELREC AG)
Foto 2: Ein Mitarbeiter von ELREC öffnet ein batteriehaltiges Gerät (Foto: Carbotech AG)
Foto 3: Ausbildungskoffer zum Thema LiB des Zerlegebetriebs gadPLUS (Foto: Carbotech AG)
Foto 4: Feuerfeste Handschuhe für den Umgang mit beschädigten Lithiumbatterien (Foto: Carbotech AG)