Quelle: Bericht Critical raw materials for strategic technologies and sectors in the EU - Publications Office of the EU

European Critical Raw Materials Act

Der European Critical Raw Materials Act: Was beinhaltet er und was sind mögliche Auswirkungen auf die Schweiz? 

Mit dem European Critical Raw Materials Act möchte die EU in Zukunft die Abhängigkeit von Importen für bestimmte Rohstoffe verringern. Dieser stärkere Fokus der EU auf die eigene Produktion aus Primär- wie auch Sekundärquellen birgt Risiken, aber auch Möglichkeiten für die Schweizer Recyclingbranche.

Für die Bekämpfung der Klimakrise ist eine Umstellung unseres fossilen Energiesystems auf nachhaltige Lösungen essenziell. Zahlreiche der zurzeit vielversprechendsten Schlüsseltechnologien wie Stromerzeugung aus Wind- oder Solarenergie, Elektrofahrzeuge sowie Energiespeicher und intelligente Stromnetze benötigen signifikante Mengen an besonderen Rohstoffen. Die Europäische Union ist – wie auch die Schweiz – für die meisten dieser «kritischen» Rohstoffe (engl. Critical Raw Materials, CRM) von Importen abhängig. Die Gründe liegen darin, dass keine primären Vorkommen vorhanden sind oder diese Stoffe wegen wirtschaftlicher, regulatorischer oder gesellschaftspolitischer Gegebenheiten nicht nutzbar sind.

Diese Abhängigkeit stellt ein erhebliches Risiko für den Erfolg der grünen Transformation in Europa dar. Geopolitische Ereignisse wie der Ukrainekrieg oder Lieferkettenengpässe zeigen die Verwundbarkeit des globalen Systems. Für viele Rohstoffe ist zudem eine geringe Diversifizierung der Lieferländer ein zusätzliches Risiko. So wird beispielsweise 97 % des in der EU benötigten Magnesiums aus China importiert.

Die Europäische Kommission untersuchte bereits ab 2008 die Frage des Zugangs zu Rohstoffen in der EU im Rahmen der European Raw Materials Initiative. Im Zuge der verschiedenen Lieferengpässe im Jahr 2022 wurde die Thematik wieder aufgenommen und führte zu raschem Handeln der EU-Politiker:innen.

Der European Critical Raw Materials Act (ECRM), der im März 2023 veröffentlicht wurde, zielt ab auf eine Verminderung dieser Risiken durch eine Steigerung der Kapazitäten über die gesamte Produktions- und Lieferkette. Europa soll, wenn möglich, einen Teil der Rohstoffe selbst zur Verfügung stellen können.

ECRM Richtwerte

Für 2030 legt der ECRM Richtwerte für die EU-weiten Kapazitäten entlang der Lieferkette kritischer und strategischer Rohstoffe (siehe Abbildung 1) fest:

  • 10 % des jährlichen Förderbedarfs der EU an Rohmaterialien sollen in Europa gefördert werden.
  • 40 % der weiteren Verarbeitung dieser Rohmaterialien sollen in der EU stattfinden.
  • 15 % des Bedarfs eines Rohstoffs der EU sollen aus dem innereuropäischen Recycling stammen.

Um einseitige Abhängigkeiten zu verhindern, sollte die EU nicht mehr als 65 % ihres jährlichen Bedarfs an einem strategischen Rohstoff in jedem relevanten Verarbeitungsstadium aus einem einzelnen Nicht-EU-Land beziehen. Der Aufbau europäischer Kapazitäten wird gefördert: Die gesamte Wertschöpfungskette – Abbau, Raffination, Verarbeitung und Recycling – soll durch Exploration lokaler Primärquellen in Europa, einfachere Genehmigungsverfahren und leichtere Zugriffe auf Finanzmittel gestärkt werden. Die EU wird zudem ihre Kapazitäten zur Überwachung und Kontrolle der Rohstoffflüsse erhöhen, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Stresstests, strategische Bestände und nachhaltige Investitionen werden gefördert.

Ausserdem sind sekundäre Quellen relevant, denn aus Produktionsabfällen oder durch Recycling von Produkten können Rohstoffe zurückgewonnen werden. Der ECRM soll die Kreislaufwirtschaft fördern und vielversprechende Rückgewinnungstechnologien marktreif machen. Wichtige Sektoren sind dabei der Automobilsektor, Batteriespeicher und Traktionsbatterien, IT- und Haushaltselektronik sowie erneuerbare Energien.

Eine Stärkung des Recyclingsektors in der EU sowie ein stärkerer Fokus auf die Rückgewinnung von bisher nicht im industriellen Massstab zurückgewonnenen Materialien wird auch einen Einfluss auf die Schweizer Recyclingbranche haben. Ein Beispiel könnte die zukünftige Rückgewinnung von den seltenen Erden Neodym und Dysprosium sein, welche in starken Magneten zum Einsatz kommen.

Der ECRM zielt darauf ab, die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Dies könnte dazu führen, dass die EU strengere Exportkontrollen für kritische Rohstoffe einführt. Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied könnte von solchen Exportbeschränkungen betroffen sein. Dies könnte den Zugang zu bestimmten Rohstoffen erschweren.

Insgesamt erfordert der European Critical Raw Materials Act eine enge Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU, damit die Herausforderungen im Rohstoffsektor angegangen und nachhaltige Lösungen gefunden werden können.

Quellen:

1. Europäische Kommission – European Critical Raw Materials Act –
https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal/green-deal-industrial-plan/european-critical-raw-materials-act_en

2. MEIG Programme – The EU Critical Raw Materials Act and its geopolitical Implications –
https://www.meig.ch/highlight-1-2024-the-eu-critical-raw-materials-act-and-its-geopolitical-implications/

3. Swisscore – Commission presents Critical Raw Materials Act –
https://www.swisscore.org/commission-presents-critical-raw-materials-act/

4. Swisscore – Agreement reached on Critical Raw Materials Act –
https://www.swisscore.org/agreement-on-critical-raw-materials-act/